2004  mach!mal  

Homosexuelle Biographien im Nationalsozialismus

Jugendfreizeiteinrichtung Mahler 20

„Die Grundidee des Projektes war es, das Leben respektive die Verächtlichmachung, Ausgrenzung und Verfolgung von im NS-System als „minderwertig“ geltenden Gruppen am Beispiel von Lesben und Schwulen zu dokumentieren. Bereits bei der  Recherche zum Film wurde deutlich, dass es sehr schwer sein würde, geeignete Zeitzeugen zu finden. Ehemalige „Rosa-Winkel“ – Häftlinge, die wegen des Verstoßes gegen den Paragraphen 175 von den Nazis in Konzentrationslager verschleppt worden waren, leben nicht mehr. Ältere Lesben und Schwule, die die NS-Zeit überlebt haben, schweigen meist über ihre Vergangenheit, um in der heute noch immer homophoben Lebenswirklichkeit zurecht zu kommen. Besonders die Alten haben unter den jahrzehntelang gepflegten Vorurteilen zu leiden. Es fällt ihnen oft sehr schwer, ihre sexuelle Orientierung, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu artikulieren. Dahinter wird die Angst vor doppelter Ausgrenzung in der Gesellschaft offenbar: als Alte/r und aufgrund ihrer sexuellen Identität.  

In den Gesprächen mit den Zeitzeugen und Wissenschaftlern, die sich zu Interviews mit uns bereiterklärten, wurde die Ambivalenz des Themas offenbar. Neben den homosexuellen Opfern, die es aufgrund der von den Nationalsozialisten verfolgten Rassen- und Vernichtungspolitik zu tausenden gegeben hat, galt es auch, sich mit den homosexuellen Mitläufern und Tätern zu beschäftigen. Der Diskurs führte zu der Erkenntnis, dass Leben und Überleben in der NS-Diktatur von ganz individuellen Strategien abhing. Daran wurde auch der Unterschied zu anderen Opfergruppen in der Zeit des Nationalsozialismus deutlich. Die Homosexuellen – insbesondere die Schwulen – waren zwar durch den von den Nazis verschärften Paragraphen 175 jederzeit bedroht und wurden bei Verstößen verfolgt, einen oft beschriebenen “schwulen Holocaust” hat es jedoch nicht gegeben. Homosexuelle wurden nicht – wie etwa die Juden, Sinti und Roma und andere – systematisch vernichtet.

Diese differenzierte Sichtweise führte dazu, den Arbeitstitel “Ausgrenzung und Verfolgung von Homosexuellen im Dritten Reich” zu ändern. Im Mittelpunkt steht nun das Leben und die persönlichen Überlebensstrategien unserer Zeitzeugen, die sich keinesfalls als Opfer betrachten. Die Interviews werden ergänzt durch Informationen der beiden Wissenschaftler über die Verfolgungssituation in der Zeit des Nationalsozialismus und über die Opfer, die selbst nicht mehr Auskunft geben können.

Die Videodokumentation auf DVD mit Begleitreader könnt Ihr im Jugendklub  gegen eine Spende von 5,- € bestellen.