2004  mach!mal  

Jüdische Spurensuche in Berlin

Leonardo-da-Vinci-Oberschule

Die LEONARDO-DA-VINCI-OBERSCHULE begibt sich auf:

Jüdische Spurensuche in Berlin

Wir haben mit dem zweijährigen Schülerprojekt „Jüdisches Leben in Berlin und in Lublin“ sehr gute Erfahrungen gemacht. Wir hatten nicht nur motivierte Schülerinnen und Schüler, sondern konnten bei einzelnen Aktionen auch auf interessierte Kolleginnen zurückgreifen, die unsere Arbeit durch persönliche Erfahrungen und Fortbildungen bereichert haben.

Wir haben in Berlin mit den Schülerinnen und Schüler handlungsorientierte Arbeitsformen eingeübt und haben sie zum eigenständigen Lernen ermuntert, sie dabei vielfältig unterstützt sowie ihnen die Möglichkeit geboten, die Arbeitsergebnisse vor den polnischen Partnerschülern zu präsentieren.

Der Aufenthalt der polnischen Schüler in Berlin hat gezeigt, dass gegenseitige Besuche sehr wertvoll sind, denn dabei lernen beide Seiten die Lebenswelt der anderen Schüler genau kennen. Die polnischen Schüler waren sehr von der Gastfreundschaft angetan. Dies freut uns um so mehr, als somit alte Vorurteile überwunden werden und neue Freundschaften entstehen konnten. Beim Aufenthalt der deutschen Schüler in Lublin in Zusammenhang mit einer Gedenkstättenfahrt, konnten sich die Schüler in diesem Frühsommer wieder treffen und gemeinsam neue Erfahrungen reflektieren.

Die Arbeit der Schülerinnen und Schüler in Berlin in Rahmen des Projekts war geprägt von zahlreichen Exkursionen, Unterrichtsgängen und Treffen in der Schule. Vielfältige Gedenkorte in Berlin wurden erkundet und Informationen über verschiedene ehemals jüdische Gebäude eingeholt, es wurde geforscht. Besonders schrecklich bleibt mir dabei aber auch in Erinnerung, dass ich mit den Schülern und einigen Referendaren am 11. September 2001 bei der Eröffnung des jüdischen Museums in Berlin war. Dieser Tag bleibt uns wohl ein Leben lang in schrecklicher Erinnerung. Die Schülerinnen haben dort an mehreren Führungen teilgenommen, jedoch schon bald zeigte sich, dass die Teilnehmerinnen am Projekt „Spurensuche…“ und der Majdanek-Arbeitsgemeinschaft über ein gutes Wissen verfügen, so dass eine Journalistin bemerkte, dass sie mit so viel Sachverstand bei Schülern nicht gerechnet habe.

Während des Aufenthaltes der polnischen Schüler in Berlin wurden gemeinsame Exkursionen an wichtige historische Orte durchgeführt, wir besuchten gemeinsam u.a. den jüdischen Friedhof in Weißensee, den grössten seiner Art in Europa, die Gedenkstätte am S-Bahnhof Grunewald, die sogenannte „Grunewaldrampe“ und das Centrum Judaicum in der Oranienburger Strasse, die Spiegelwand in Steglitz und weitere Gedenkorte. Die polnischen Schüler waren erstaunt, dass in Berlin so viele Gedenktafeln und Orte vorhanden sind, denn in ihrer Stadt gibt es nur wenige Gedenktafeln bzw. Hinweise auf die ehemals sehr umfangreiche jüdische Gemeinde, deren Synagogen und Wohngebiete. Aber mit den polnischen Schülern unserer Projektgruppe gibt es zum ersten Mal nach dem zweiten Weltkrieg eine Schülergruppe, die wieder danach fragt und ebenfalls nach dem Verlorenen forscht. Neuerdings gibt es in Lublin ein städtisches Museum, was auf das jüdische Leben in Lublin eingeht.

Generell ist das jüdische Leben für deutsche wie polnische Schüler eine komplexe und teils doch sehr fremde Welt. Dies wurde den Schülern beim Besuch einer jüdischen Sabbatfeier in der Kreuzberger Synagoge auf vielfältige Weise bewusst. Dabei konnten wir hinter den anwesenden Frauen Platz nehmen und uns wurden die später gelesenen Talmudverse kurz zusammengefasst. Während des Gottesdienstes verstanden wir natürlich wenig bzw. nichts, vor uns redeten jedoch ständig zwei Frauen und lachten über Witze. Wie sich später herausstellten sollte, handelte es sich bei ihnen um die Ehefrauen des Vorbeters und des Vorsängers, die uns zuvor mit großer Ernsthaftigkeit auf einige wichtige Details hingewiesen hatten. So ist das Leben eben!