2004  schreib!mal  

Tagebuch der Anne Frank

Schiller-Oberschule Berlin

Fünf Schülerinnen und Schüler des Geschichtskurses der 9. Klasse schreiben das Tagebuch der Anne Frank um. Wir werden erfahren, was sie erlebt haben könnte, würde sie heute in Berlin leben.

Nicht mehr komisch…

Rechtsradikalismus macht in ganz Europa Schlagzeilen. Es ist wieder ein aktuelles Thema, vor allem in Deutschland. „Wieso?“ frage ich mich, denn gerade die deutschen Schüler lernen viel über Rechtsradikalismus, Hitler und das Dritte Reich. Und gerade unter Schülern macht sich die rechte Gewalt breit. Immer wieder höre ich fiese, ausländerfeindliche Sprüche und Witze – von Gleichaltrigen.

Vielleicht ist es nichts weiter als ein Trend, aber ich finde es mehr als beängstigend, wie manche Jugendliche über Kulturen reden, über die sie so gut wie gar nichts wissen.

Bei Späßen gibt es bestimmte Grenzen: Wenn sich zum Beispiel ein Mitschüler vor seinem koreanischen Freund über Asiaten lustig macht, ist das einfach nicht komisch. Und es ist doch auch reichlich geschmacklos, wenn Manche mit Anspielungen auf das Dritte Reich über Juden Witze reißen.

Ich denke, die Jugendlichen, die solche Witze machen, wissen, dass was sie da sagen, Schwachsinn ist. Wenn man sie darauf anspricht und darauf hinweist, wie ernst und wie verletzend diese Aussagen sind, gehen sie gar nicht darauf ein und diskutieren einfach nicht logisch.

Man muss diesen Jugendlichen einfach die Augen öffnen und jedem individuell klar machen, dass rassistische Scherze nicht im Geringsten lustig sind. Sie müssen begreifen, dass genau da der harmlose Spaß aufhört und Rechtsradikalismus anfängt. 

10.01.04

Ich kann es nicht verstehen

Sinai (geb.2.8.1929) ist ein vierzehnjähriges Mädchen, welches mit ihrer Mutter und ihrer taubstummen, zehnjährigen Schwester Eva in Kisvárda, einer kleinen Stadt in Ungarn, lebt. Ihr Vater war vor vielen Jahren an Krebs verstorben.

Sie schreibt in ein Tagebuch über ihre Gefühle, Hoffnungen und Wünsche.

Im folgenden Text sind einige Eintragungen aus ihrem Tagebuch wiedergegeben. Doch leider sind die Einträge zwischen dem 7.7.1940 und Ende 1943 verloren gegangen. 

Kisvárda den 7.7.1940 

Liebes Tagebuch,

heute waren Isa und ich bei Lena. Wir haben die ganze Zeit mit Lenas Puppen gespielt und es hat uns sehr viel Spaß gemacht. Einmal war Isa beleidigt, weil Lena ihr nicht ihre Lieblingspuppe geben wollte.

Später bin ich dann alleine nach Hause gegangen. Auf dem Weg wurde ich von Janek, diesem Jungen aus der Nachbarschaft und seinen Freunden beschimpft. Sie nannten mich „dreckige Jüdin“ und meinten, dass ich und die anderen Juden  Kisvárda ver-   lassen sollten denn durch uns sei die Stadt „verdreckt“ worden. Ich verstehe das alles nicht. Was haben Janek und seine Freunde gegen mich? Was habe ich ihnen getan?

Als ich zu Hause Mama fragte, warum sie das zu mir gesagt hatten, meinte sie, dass dies eine typische Form von Antisemitismus sei, mit der man als Jude oder Jüdin leider klarkommen muss.

Aber ich kann damit nicht klarkommen und will es auch nicht!

Deine Sinai


1.1.1944

Liebes Tagebuch,                                                                                             

Wenn ich jetzt so die alten Einträge lese, merke ich, dass mein Leben, mit Ausnahme von dem Tag an dem Papa starb und dem ersten Mal, als ich die Judenfeindschaft am eigenen Leib zu spüren bekam, recht unbeschwert war. Damals verwirrten mich diese Beschimpfungen, doch nun, wo sie zu meinem Alltag gehören, weiß ich warum viele das tun, verstehe es aber nicht!

Ich kann mich noch daran erinnern, wie meine Geschichtslehrerin, die eine Deutsche war, immer Hitler lobte. Sie nannte ihn auch voller Stolz „unseren Führer“. In solchen Situationen fragte ich mich, ob sie überhaupt daran dachte, dass sechs jüdische Kinder in der Klasse sitzen und ihr zuhören.

Hitler ist für uns eine große Bedrohung und wir fürchten ihn sehr.

Mama meinte heute zu Eva und mir:„Meine lieben Kinder, ihr braucht euch keine Sorgen zu machen. Bald ist Hitler weg und alles wird wieder gut!“ Doch das glaube ich ihr nicht, denn es ist klar, dass sie es nur sagt, um uns zu ermutigen. Eva versteht, da sie erst zehn ist, von all dem wenig. Aber dass Mama sehr besorgt ist, hat sie deutlich gemerkt. Man kann sich nämlich mit Eva unterhalten, ohne eine Zeichensprache benutzen zu müssen, weil sie von den Lippen ablesen kann. Als ich klein war, habe ich sie darum beneidet, aber jetzt weiß ich, wie schlimm so etwas ist und wie sehr sie darunter leidet.

Naja, liebes Tagebuch, ich muss aufhören zu schreiben, weil Isa und Lena mich gleich abholen werden.

Deine Sinai


3.1.1944

Mein liebes Tagebuch,

Habe ich Dir schon mal erzählt, dass Eva und ich nicht zur Schule gehen? Auf die „normalen Schulen“ dürfen wir nicht mehr gehen und eine jüdische Schule gibt es hier nicht. Aber dafür gibt uns Mama täglich Unterricht. Von dem Geld, das sie als Kindermädchen bei den Wlodenks, die einzigen, die uns noch mögen, verdient, kauft sie  Bücher. Sie arbeitet sehr hart, um uns zu ernähren. Wir arbeiten wiederum im Haushalt tüchtig mit.

Als ich vorhin das Radio angestellte, hörte ich auf jedem Sender eine Hitler-Rede. Ich werde noch wahnsinnig von diesem Geschreie, auf welches immer „Heil,Heil,Heil“ folgt. Was finden die Leute so toll an ihm und was um Gottes Willen hat er gegen uns Juden??? Ich denke, dass er uns schikaniert, unter anderem, weil er weiß, dass wir uns nicht wehren können. Wir haben kein eigenes Land, keine Regierung und keine Armee, die uns beschützen kann.

Ach, ich bin so verzweifelt…!

Sinai


7.2.1944

Liebes Tagebuch,                                                                                               

Während ich dies hier schreibe, muss ich mich sehr bemühen nicht in Tränen auszubrechen. Heute kamen Lena und Isa zu mir und meinten, dass sie nicht mehr mit mir befreundet sein wollen, da ich eine Jüdin bin und nicht, wie sie, „arisch“. Außerdem stünde es „unter ihrer Würde“ mit jemandem wie mir zu reden.

Ich verstehe das nicht. Ich bin keine „Arierin“? Was ist denn eigentlich eine „Arierin“? Sind wir nicht alle Menschen?

Meine einzigen Freundinnen, die eine sehr große Stütze für mich waren, haben sich gegen mich gewandt. Und das nur, weil es auf einmal wichtig für sie ist, dass ich Jüdin bin?!? Wir waren doch bis zuletzt unzertrennlich!

Ich fühle mich elend und verlassen…

Sinai


18.2.1944

Liebes Tagebuch, 

Einige Kinder aus meiner alten Klasse haben mich heute auf der Straße als Ungeziefer bezeichnet. Sie hatten das Wort aus einer Hitler-Rede, die in der Tageszeitung gedruckt worden war.

Sie lautete:

„Es ist ja wohl nur recht und billig, die Welt von einer minderwertigen Rasse zu be-freien, die sich wie Ungeziefer vermehrt“

Wir Juden sind also eine „minderwertige Rasse“? Ich habe unter „minderwertig“ im Lexikon nachgeschlagen und dort stand:

„minderwertig : nur geringe Güte und Qualität aufweisend, geringer Wert, schlecht

(auch moralisch)“.

Es ist schrecklich, wie wir angesehen werden.

Deine Sinai


7.3.1944

Liebes Tagebuch, 

Ich mache mir Sorgen um Mama. Sie leidet unter starken Depressionen und sagt ständig zu uns, dass wir, auch wenn man uns trennt, nicht aufgeben dürfen. Was meint sie nur damit?

Einmal hörte ich sie im Schlaf von irgendwelchen Lagern sprechen, doch ich traue mich nicht sie zu fragen, was sie damit meinte

Eva und ich bekommen seit einiger Zeit Drohbriefe, in denen steht, dass wir bald in einen Zug kommen, der uns in ein Konzentrationslager bringt. Sind das vielleicht die Lager, die Mama gemeint hat? Was passiert dort mit den Menschen? Ich habe so viele Fragen, die ich jedoch nicht Mama stellen werde, da sie wahrscheinlich nur noch bedrückter werden würde.

Sinai


15.3.1944

Mein allerliebstes Tagebuch, 

Ich konnte es nicht länger aushalten und habe Mama gefragt, was Konzentrationslager sind. Zuerst wollte sie es mir nicht sagen, aber dann meinte sie:„Konzentrationslager sind Lager in denen man Zwangsarbeit verrichten muss. Doch die Konditionen sind grauenhaft. Man bekommt sehr, sehr wenig zu essen, dafür aber viele Schläge. So genau kann ich es dir nicht erklären, doch merke dir eines: Man hat sehr wenige Chancen aus dem KZ zu kommen, aber aus einem Vernichtungslager zu entkommen ist   völlig unmöglich.“

Seitdem sie mich darüber aufgeklärt hat, spreche ich, in Gedanken jeden Abend mit Papa und bitte ihn uns zu beschützen. Ich will nicht in so ein Lager und ich will schon gar nicht, dass Eva dahin kommt! Ihr Leben ist beschwerlich genug!

Sinai


8.4.1944

Liebes Tagebuch, 

Ich traue mich zurzeit kaum noch auf die Straße. Egal wo ich hingehe werde ich beschimpft und angespuckt, denn der gelbe Stern, den ich tragen muss, „verrät“ mich.

Am 5.4. wurde verkündet, dass ab diesem Tage alle Juden diesen Davidstern tragen müssen.

Heute, als ich die Wlodenks besuchen ging, sah ich, wie ein alter Mann plötzlich auf der Straße zusammenbrach und regungslos am Boden liegen blieb. Alle Passanten ignorierten ihn und wechselten einfach die Straßenseite. Ich lief sofort zu ihm, verwundert, dass niemand ihm half. Erst nachdem ich ihm aufgeholfen hatte, wusste ich warum sich keiner um den alten Mann gekümmert hatte.

Er trug einen gelben Stern an der Brust!

Der Mann bedankte sich bei mir und sagte:„Da siehst du mal mein Kind, wie gefühlslos manche Menschen sind. Wenn du nicht gewesen wärst, würde ich immer noch hier liegen und auf einen Juden warten, der mir dann endlich aufhilft.“

Werden diese Leiden denn nie ein Ende nehmen? Gott, wenn es Dich wirklich geben sollte, warum unternimmst Du nichts? Siehst Du nicht, wie wir alle leiden? Bist Du etwa blind?

Sinai


10.4.1944

Liebes Tagebuch,

ich habe Angst, furchtbare Angst! Angst in ein Konzentrationslager zu kommen, Angst von meiner Familie getrennt zu werden, Angst sie nie wiederzusehen. Papa, ich flehe Dich an, wenn Du mich nicht beschützen kannst, dann wenigstens Mama und Eva! BITTE!

Sinai


13.4.1944

Mein liebes Tagebuch,

ich  sitze gerade auf der Fensterbank und schaue auf unseren Garten. Wunderschöne Blumen sind dort und bunte Schmetterlinge, die sich auf ihnen niederlassen. Ich sehe auch Lena und Isa. Sie gehen Arm in Arm mit Paula, einem Mädchen aus der Nachbarschaft. Früher konnten wir Paula nicht leiden, weil sie oft log und gemein war, aber die Beiden scheinen ja lieber mit ihr spazieren zu gehen, als mit mir, einer Jüdin.

Sinai


22.4.1944

Liebes Tagebuch,

Mama meint, dass der Krieg gegen Hitler bald gewonnen sein wird und dass die Alliierten uns befreien werden. Wir hoffen es! Etwas anderes als zu hoffen bleibt uns nicht übrig. Und wir werden die Hoffnung niemals aufgeben! Niemals!

Deine Sinai


10.5.1944

Liebes Tagebuch,

ich werde noch irre! Den ganzen Tag sitzen wir im Haus und schweigen. Diese Stille ist grauenhaft. Es ist, als würden wir warten, bis unser Schicksal an die Tür klopft. Wir können nichts tun, außer zu warten und zu hoffen, dass man uns nicht deportieren wird.

Ach, ich will so gerne leben, frei sein…nicht so wie eine Gefangene in meinem eigenen zu Hause. Ich bin jetzt 14 Jahre alt und habe noch mein ganzes Leben vor mir. Ich will reisen und die Welt kennen lernen…aber anscheinend werden diese Träume wohl immer nur Träume bleiben.

Mama sagte vorhin, dass wir froh sein können, dass wir überhaupt noch am Leben sind! Doch da der Tod für mich sehr weit weg ist, kann ich das nicht nachvollziehen.

Sinai


14.5.1944

Liebes Tagebuch,

Eva ist krank. Sie hat starke Bauchschmerzen und ihre Augen glänzen fiebrig. Mama und ich machen uns sehr große Sorgen um sie. Hier gibt es keinen jüdischen Arzt und einen anderen können wir nicht holen…oder besser gesagt, dürfen wir nicht holen. Mit dem Zucker, den Mama von Frau Wlodenk bekommen hat, hat sie Eva heißes Wasser mit Zucker zubereitet. Glücklicherweise geht es ihr jetzt ein wenig besser, aber sie kann immer noch nicht aufstehen, so schwach ist sie.

Ich will, dass Eva so schnell wie möglich wieder gesund wird…denn ich liebe sie sehr. Sie hat mich auch in den schwierigsten Situationen nicht allein gelassen und war stets für mich da. Ich liebe Dich, Evachen!

Sinai


20.5.1944

Liebes Tagebuch,

Weißt Du was ich hasse? Verallgemeinerungen! Bloß weil vielleicht ein paar Juden Hitler missfallen haben ( einen anderen Grund für seinen Hass, kann ich mir nicht denken), heißt das doch noch lange nicht, dass alle Juden so sind!

In meiner alten Klasse hatten wir einen polnischen Jungen, der immer freche Antworten gab und sofort hieß es:„Alle Polen sind so!“ Man kann so etwas nicht behaupten, nur weil ein Pole frech ist! Ich bin mir sicher, dass das auch auf uns zutrifft. Was hat zum Beispiel Eva getan? Hat sie jemandem etwas zu Leide getan? Oder ich? Habe ich Hitler irgendwie geschadet? Nein! Weder ich noch alle anderen Juden hier haben Hitler je ’was angetan.

Oder es stört  ihn unsere bloße Existenz!? Wahrscheinlich kann er den Gedanken, dass wir Juden noch leben, nicht ertragen. Ich kann viele Gedanken auch nicht ertragen, aber würde ich, um sie zu beseitigen, morden? NIEMALS!!!!!

Sinai


28.5.1944

Liebes Tagebuch,

gerade eben hat Mama mir erzählt, dass sie von Herrn Wlodenk erfahren hat, dass die jüdische Bevölkerung  Morgen zum Bahnhof gehen muss, um deportiert zu werden. Sie meinte auch, dass ich es noch nicht Eva erzählen solle, weil die Arme ja erst seit kurzer Zeit wieder gesund sei und sie wolle es ihr heute Abend mitteilen.

Komisch, die ganzen Jahre habe ich über Sachen, die mir jetzt wie Kleinigkeiten vorkommen, geweint und nun, wo ich eigentlich weinen sollte, kann ich es nicht. Ich empfinde nur Leere.

Man muss in diesen Lagern ums bloße Überleben kämpfen und das werde ich auch. Hitler will alle Juden vernichten, doch ich werde es ihm zeigen…ich werde überleben und mit mir Mama und Eva!

Bei einer Sache bin ich mir sicher: Kein einziger Nichtjude in unserer Stadt, außer den Wlodenks, wird eine Träne für uns Juden vergießen. Sie werden lächeln und froh sein, dass Kisvárda endlich von diesem „Ungeziefer“ befreit wurde…

Ich muss meinen Rucksack packen, aber ich nehme nur meine Puppe Ella und einige Kleidungsstücke mit. Am Liebsten würde ich Dich, liebes Tagebuch mitnehmen, doch Mama einte, dass das nicht gehen wird. Ich werde Dich den Wlodenks übergeben. Hoffentlich kann ich Dich bald wieder in meinen Händen halten.

Als ich vorhin in Evas Zimmer gegangen bin, saß sie auf ihrem Bett und Tränen liefen ihr über die zarten Wangen. Sie ist sehr unglücklich und das hat auch mich sehr traurig gestimmt. Ich will weinen, aber ich darf nicht…ich muss stark bleiben!

Ich hoffe jedoch, dass ich, falls ich überlebe, meine Gefühle nicht verlieren werde. Ich möchte lachen, weinen, Mitleid haben und mich freuen können und auf  keinen Fall unmenschlich werden…so wie die Nazis!

Deine Sinai


 Am 29.5.1944 werden Sinai und ihre Familie nach Auschwitz deportiert. Doch nur sie überlebt das Konzentrationslager; ihre Mutter und ihre Schwester werden ermordet!

Nach ihrer Befreiung verlässt sie Europa und zieht nach Florida. Dort lebt sie noch heute mit ihrem Ehemann, der auch ein Holocaust-Überlebender ist und ihren zwei Töchtern, Maja und Rachel.

Mit dieser Geschichte will ich zeigen, wie sehr die Juden in der Nazi-Zeit gelitten haben. Ich will auch sagen, dass so etwas schreckliches wie der Holocaust nie wieder geschehen darf und dass es in unseren Händen liegt, solche Dinge zu verhindern. Doch es gibt wieder mehr Leute, die die menschenverachtende Ideologie der Nazis vertreten. Ich frage mich, weshalb?

Hier in Deutschland gibt es sogar rechtsextreme  Parteien und Organisationen. Aber auch in anderen europäischen Ländern finden die rechtsradikalen Parteien immer mehr Zustimmung. Was bringt Menschen dazu solch eine Partei zu gründen, in sie ein- oder zu ihr überzutreten?

Über sechs Millionen Juden wurden damals ermordet. Das sind etwa so viele Menschen, wie 1989 in der Schweiz lebten.

Wir müssen alles dafür tun, um zu verhindern, dass Menschen auf Grund ihrer Religion, Hautfarbe oder Nationalität verachtet, verfolgt oder gar getötet werden!

Gez.: Sharona Moreitz 

Von Lea McLaughlin

Ein nachgeschriebener Tagebucheintrag aus der Sicht von Anne Frank, ins 21 Jahrhundert transferiert, im Falle der Wiederholung der Nationalsozialistischen Herrschaft.

 11 April 2004

 Liebste Kitty,

ich weiß ehrlich gesagt nicht wo mir der kopf steht und wo ich anfangen soll erst recht nicht. In den letzten Tagen verlief alles relativ ruhig. Es gab zwar ein paar Schießereien mit Maschinengewehren und Handgranaten, aber sonst nichts.

Am Sonntagnachmittag fragte Peter ob ich nicht Lust hätte auf den Dachboden zu gehen und zu quatschen. Weil oben immer ziemlich kalt ist hab ich mir das einzige Kissen aus meinem Zimmer geholt und mit Peter und Katze Mouschi nach oben getigert. So gegen viertel nach 9 pfiff dann Herr van Daan und fragt ob wir das Kissen von Herr Dussel hätten. Er eskortierte Peter und mich nach unten, wo Dussel uns eine Strafpredigt hielt weil wir sein Kissen geklaut hatten und weil er fürchtete es wären Lause drin. Als Rache haben Peter und ich ihn zwei harte Bürsten ins Bett gelegt. Leider hat er sie vor dem einschlafen gefunden. Peter und ich haben uns darüber halb tot gelacht. Aber leider konnten wir unseren Fast-Triumph nicht genießen. Um halb zehn klopfte Peter bei meinem Vater an die Tür und fragte ob dieser ihm nicht bei einem schwierigen englischen Satz helfen könnte. Ich meinte zu Margot: „ Da stimmt was nicht. Die reden ja so als ob eingebrochen worden war.“ Meine Vermutung wurde in Null-Komma-Nichts bestätigt. Peter, Herr van Daan und Vater waren in kürzester Zeit unten. Frau van Daan, Mutter, Margot und ich warteten. Vier Frauen die Angst haben müssen unbedingt Reden. Wir diskutierten darüber was wohl passiert war und ob es den Herren gut ging. Kämpften sie vielleicht mit den Einbrechern? Um zehn Uhr kamen die Herren nach oben und wiesen uns an leise nach oben zu schleichen und alle Lichter auszumachen denn sie befürchteten, dass die Polizei gerufen worden war. Nachdem sie sicher waren, dass wir oben waren schlichen sie wieder nach unten, ohne uns zu sagen was passiert war. Nach zehn bis zwanzig Minuten im dunklen kamen sie Treppe hoch geschlichen. Nach dem sich zwei an Peters Fenster postiert hatten, fing Vater an zu erzählen: Peter hatte  vom Treppenabsatz zwei harte Schläge gehört und sofort Vater und Herr van Daan alarmiert. Zusammen waren sie nach unten gegangen und hatten die Diebe beim stehlen erwischt. Darauf hin schrie Herr van Daan laut: „ Polizei“. Die Einbrecher nahmen die Beine in die Hand und flohen. Um zu verhindern das die Polizei das Loch finden würde versuchten Vater und  Peter die Bretter am Treppenabsatz wieder in die Wand einzusetzen. Zack traten die Einbrecher dagegen und die Bretter landeten wieder auf dem Boden. Peter machte Anstalten den Einbrechern zu folgen. Erneut fielen die Bretter zu Boden und eine Taschenlampe tastete draußen durch die Dunkelheit. Auf der anderen Seite der Wand stand ein Ehepaar und leuchtete das Lager ab. So schnell und leise sie konnten schlichen Peter, Herr van Daan und Vater zurück zur Treppe und hinauf, darauf bedacht keinen Lärm zu machen. (Ende von Teil1).

Vermutlich hatte das Ehepaar mit der Taschenlampe die Polizei gerufen. Da es dummerweise Ostersonntag war und am Ostermontag niemand ins Büro kam, befürchteten wir bis Dienstag hier ausharren zu müssen. Die Vorstellung fast zwei Tage und genau zwei Nächte im dunklen zu verbringen hat uns alle total erschreckt. Es bleib uns leider nichts anderes übrig als abwarten und Tee trinken (nur halt ohne Tee).Wir verharrten alle mucksmäuschenstill und warteten darauf dass die Polizei kam. Bis  um halb zwölf passierte nichts. Um halb zwölf hörten wir Schritte im Privatbüro. Man hörte schritte die Treppe hoch kommen und Gerüttel am Wandschrank. Alle hielten den Atem an. Ich sah uns schon alle von der Gestapo abgeführt werden, als sich die Schritte entfernten. Wir atmeten alle auf, wagten aber nicht uns zu rühren oder uns zu unterhalten. Nach einer Weile war im Haus nichts mehr zu hören, aber wir konnten Licht am Treppenabsatz vor dem Wandschrank sehen. Da wir befürchteten, dass die Polizei einen Wächter dagelassen hatte, konnten wir nicht aufs Klo gehen und mussten den Plastikpapierkorb von Peter benutzen. Es stank fürchterlich und da wir sowieso nur warten konnten, beschlossen wir zu schlafen. Margot und ich nahmen uns einige Kissen und verzogen uns in die Nähe des Vorratsschranks. Während wir versuchten zu schlafen hörte ich die Erwachsenen diskutieren und roch den Gestank unseres Pseudo-Klos. Nachdem ich es irgendwann geschafft hatte einzuschlafen wurde ich davon wach das Frau van Daan ihren Kopf auf meine Füße legte. Ich bat um was zum anziehen und bekam einen etwas fadenscheinigen Bademantel. Die Erwachsenen diskutierten darüber was gemacht werden sollten wenn die Gestapo uns erwischen sollte. Jemand meinte, dass mein Tagebuch verbrannt werden müsse. Bloß nicht!!! Ich brauche das Tagebuch um zu schreiben. Den Rest der Nacht konnte ich nicht schlafen und tröstete Frau van Daan in ihrer Angst. Wir warteten die ganze Nacht. Später saß ich neben Peter. Wir drückten uns aneinander um uns gegenseitig zu wärmen. Hin und wieder pinkelte jemand und dann und wann wurde ein Wort gesprochen, aber wir warteten bis wir sicher sein konnten das es sicher für uns war Herrn Kleiman um Hilfe  anzurufen. Nachdem wir Herrn Kleiman angerufen hatten, hörten wir jemanden an der Tür klopfen. Zuerst dachten wir es wäre die Polizei, aber dann hörten wir Miep vor der Tür pfeifen. Das war dann zu viel für Frau van Daan, leichenblass sank sie in ihrem Stuhl zusammen. Als Miep und Jan herein kamen, wurden sie mit freudigem Hallo begrüßt. Kurz darauf machte Jan sich daran das Loch am Treppenabsatz zu reparieren und wir haben das Versteck aufgeräumt. Um 11 kam Jan wieder und erzählte das er die Sache mit dem Einbruch mit dem Kartoffellieferanten geklärt hätte der über unser Versteck bescheid weiß und Gott sei Dank nicht die Polizei gerufen hat als er das Loch und die Einbrecher gesehen hat. Nachdem Jan gegangen war sind alle ins Bett gegangen.

Später hab ich mich, nachdem ich etwas geschlafen hatte mit Peter auf dem Dachboden getroffen. Dort saßen wir in Ruhe bis zum Kaffeetrinken. Danach war alles wieder bei der täglichen Routine.

Keiner im Hinterhaus hat sich jemals in solcher Gefahr befunden wie heute Nacht. Ich danke Gott dafür, dass er uns beschützt hat. Stell dir vor die Polizei hätte uns gefunden. Wir können nur sagen: „ Wir sind gerettet. Rette uns weiterhin.“

„Wir sind stark daran erinnert worden, dass wir gefesselte Juden sind, gefesselt an einem Fleck, ohne Rechte, aber mit Tausenden Pflichten. Wir Juden dürfen unseren Gefühlen nicht folgen, müssen mutig und stark sein, müssen alle Beschwerden auf uns nehmen und nicht murren, müssen tun, was in unserer Macht liegt und auf Gott vertrauen. Einmal wird dieser schreckliche Krieg vorbeigehen, einmal dürfen wir doch wieder Menschen und nicht nur Juden sein!

Wer hat uns das auferlegt? Wer hat uns Juden zur Ausnahme unter allen Völkern gemacht? Wer hat uns bis jetzt so leiden lassen? Es ist Gott, der uns so gemacht hat, aber es wird auch Gott sein, der uns aufrichtet. Wenn wir all dieses Leid ertragen und noch immer Juden übrig bleiben, werden sie einmal von Verdammten zu Vorbildern werden. Wer weiß, vielleicht wird es noch unser Glaube sein, der die Welt und damit alle Völker das Gute lehrt und dafür allein müssen wir leiden. Wir können niemals nur Niederländer oder Engländer oder was auch immer werden, wir müssen daneben immer Juden bleiben. Aber wir wollen es auch bleiben.

Seid mutig! Wir wollen unserer Aufgabe bewusst bleiben und nicht murren, es wird einen Ausweg geben. Gott hat unser Volk nie im Stich gelassen, durch alle Jahrhunderte hin sind Juden am Leben geblieben, durch alle Jahrhunderte hin mussten Juden leiden. Aber durch alle Jahrhunderte sind sie auch stark geworden. Die Schwachen fallen aber die starken bleiben übrig und werden nicht untergehen.“

Eigentlich dachte ich, dass ich in dieser Nacht sterben müsste. Ich wartete auf die Polizei und war bereit wie ein Soldat auf dem Schlachtfeld zu sterben. Ich wollte mich opfern für mein Vaterland, aber jetzt wo ich lebe möchte ich nach dem Krieg Niederländerin werden. Ich liebe dieses Land, seine Sprache und Leute und will hier arbeiten. Dieses Ziel werde ich nicht aufgeben  und wenn ich an die Königin schreiben muss.

Ich werde immer unabhängiger von meinen Eltern. Ich bin jung, habe Lebensmut und ein sicheres Rechtsgefühl als meine Mutter. Ich weiß genau was ich will, kenne mein Ziel, habe meine eigene Meinung, habe meinen Glauben und eine Liebe. Lasst mich nur ich selbst sein, dann bin ganz zufrieden. Ich drum, dass ich eine Frau bin, mit innerer Stärke und mut. Ich werde auf keinen Fall unbedeutend bleiben, sondern etwas für die Welt und ihre Menschen tun. Jetzt weiß ich, dass das wichtigste Mut und Fröhlichkeit sind.

Deine Anne M. Frank