2004  schreib!mal  

Texte und Gedichte zum Nationalsozialismus

Gustav-Heinemann-Oberschule

Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe in Berlin-Marienfelde
Schülerinnen und Schüler schrieben Texte und Gedichte zum Nationalsozialismus.

Der Verführer

Es ist noch nicht allzu lange her, da gab es Unruhen in der Ordnung des Waldes. Die Tiere, die bis dahin in Frieden lebten, begingen einen Fehler: Sie hörten auf die Schlange. An der Schlange fraß der Neid. Sie war neidisch auf die Gruppe von Eulen, die in diesem Wald lebte. Es war ein Neid, der täglich wuchs. Der Neid auf die Weisheit der Eulen. Schließlich entwickelte sich aus diesem Neid reiner Hass. Hass auf die Eulen, obwohl diese schon viel länger in diesem Wald lebten als die Schlange selbst. Niemand hätte sich ein Leben ohne die Eulen wirklich gewünscht. Niemand außer der Schlange.

Schließlich entwickelte die Schlange in all ihrer Hinterlist und Verschlagenheit einen Plan. Es war gerade Frühling im Wald und der vorangegangene Winter war hart gewesen. Dies war allerdings nicht Besonderes, es war jedes Jahr so. Und trotzdem begab sich die Schlange auf einen Stein und verkündete, so dass es alle Tiere hören konnten, dass die Eulen die Schuld an den grausamen Wintern trügen. Die anderen Tiere fragten, wie das möglich sei, da die Eulen schon seit Anbeginn der Zeit in dem Wald lebten, doch die Schlange stellte darauf die Gegenfrage, weshalb die Winter wohl schon immer so hart gewesen waren. Das machte die Tiere stutzig und einige von ihnen begannen, die Ansichten der bösen Schlange zu teilen.

Einige Zeit später, es war gerade Herbst, schienen nicht genug Früchte gediehen zu sein, um alle Tiere des Waldes ausreichend zu ernähren. Die Schlange behauptete wieder, die Eulen seien daran schuld. Die anderen Tiere fragten sich, inwiefern dies wohl so war. Sie Schlange meinte, die Eulen täten den ganzen Tag nichts anderes, als die Vorräte zu plündern und nichts selbst zu tun. Viele der Tiere schüttelten entrüstet die Köpfe und riefen, dass das nicht wahr sei und dass die Eulen in ihrer Weisheit ihnen immer gute Ratschläge geben konnten. Die Schlange fragte die Tiere hierzu was ihnen lieber sei, ein paar gute Ratschläge oder genug Nahrung für alle. Ein Großteil der Tiere dachte nicht darüber nach und schlug sich sofort auf die Seite der Schlange. Nur wenige, sehr wenige, durchschauten ihre Betrügereien und zielgerichtete Verschlagenheit.

Eines Tages kam es, wie es kommen musste: Von sehr vielen Bewohnern des Waldes wurde die Schlange wie ein König verehrt und sie machte sich ihre Machte zunutze. Sie ordnete an, dass sämtliche Eulen zu töten seien. Ihr Hass und ihre Boshaftigkeit hatten den Höhepunkt erreicht und begannen, sich auf die anderen Tiere zu übertragen. Viele der Eulen hatten diesen Verlauf der Dinge bereits befürchtet. Einige davon waren schon aus dem Wald geflohen, einige flohen jetzt. Doch viele blieben. Zu viele.

Später, als die Schlange tot war, erkannten viele der Tiere ihren grauenhaften Fehler. Doch es war zu spät. Die Eulen, die im Wald geblieben waren, hatten bis auf sehr wenige Ausnahmen ihr Leben verloren. Und die, die geflohen waren, kehrten nicht mehr zurück.

Moral: Hüte dich vor Verführern, denn du bist nur ein Werkzeug für sie. Ihre Ziele stimmen selten mit deinen überein.

Matthias Goeritz

Gedanken über den Nationalsozialisten

Ich habe gehört, dass sie anfangen die Bevölkerung in „Rassen“ einzuteilen.

Ich habe Angst.
Ich habe Angst davor, dass ich zu einer „Rasse“ gehöre, die ihnen nicht gefällt.
Ich habe Angst vor dem, was dann mit den „Rassen“ passiert.
Ich habe Angst vor dem Wahnsinn, mit dem sie diese Auslese betreiben.
Ich habe Angst davor, dass ich von ihnen mitgenommen werde.
Ich habe Angst davor, dass meiner Familie etwas passiert.
Ich habe Angst vor dem Tod.
Ich habe Angst vor meiner Zukunft.

Doch die größte Angst habe ich davor, dass ich mich nicht mehr wehren kann.

Arne Rudolph

Einfach nur da

Er war anders
ohne Vergangenheit
und ohne Zukunft.
Er war einfach nur da,
nicht wissend,
dass er anders war.
Er hatte alles
und doch hatte er nichts.
Denn Wärme
ward ihm verwehrt.
Und sein Leben
galt nichts.
Sein Antlitz war schwarz,
aber nicht seine Seele.
Die anderen sahen
nur die Gefahr,
doch er war letztendlich
einfach nur da.
Ohne Vergangenheit,
ohne Zukunft.
Sie duldeten ihn,
ihre Gedanken beim Tod.
Sein Leben hatte
für sie keinen Wert.
Beim entscheidenden Schlag
machte niemand kehrt
Alle gegen ihn.
Menschen waren für ihn
immer gleich,
wollte nicht erkennen,
dass Hass sie regiert.
Seine Liebe war sein
Verhängnis
In jener Nacht.
Er vertraute auf Gott,
Jesus war sein Herr.
Doch auch das
nützte ihm nicht mehr.
Glauben an Gott
-warum?
Hat’s ihm denn geholfen?
Sie schimpften ihn Sklave,
das traf ihn mehr
als der Stich ins Herz
Dunkel quoll es aus seiner Brust
in jener Stunde
ohne ein Danach.
Er war anders.
Ohne Vergangenheit
und ohne Zukunft.
Er war doch
einfach nur da.

 Annika Hein (10.22)

Schuld?

Perspektiven sind erloschen
Depressionen verwandeln sich
in Hass.
Verdrängt wird alles.
Geheilt wird nichts
Übrig bleiben drängende Fragen.
Warum?
Nur Fragmente als Antwort-
Das ist das Schwierige.

Franziska Ebeling (10.13)
Bennet Venzke (10.13)

Auschwitz

Wir lesen Auschwitz und stellen uns Auschwitz vor.
Da wir uns Auschwitz nicht vorstellen können,
Lesen wir über Auschwitz, bis wir uns mehr
Unter Auschwitz vorstellen können.

Jetzt sorgen wir dafür, dass sich das nie wiederholt.
Wir diskutieren in der Schule
Und sehen auf Fotos, was Auschwitz vermag.
Wir reden über die Opfer
Und sagen: Siehst du, die Opfer.
So sahen sie aus in Auschwitz.

Bald wird es bessere Biographien geben,
In denen wir über das, was in Auschwitz passierte, lesen können.
Wir denken an die Opfer.
Aber es gibt, so lesen wir, Aktuelleres als Auschwitz.
Schnell, reden wir über Aktuelleres.
Aber nie werden wir vergessen,
Was vor langer Zeit in Auschwitz geschah.

Reden über die Geschichte
Reden über das Leid
Reden über die Toten
Reden über die Verantwortlichen.
Aber viele dort draußen
Wissen nicht viel über dieses Leid.

(Nach dem Gedicht „In Ohnmacht gefallen“ von Günter Grass)

Ronja Dietrich

Schuld

Sind wir schuld daran, was 50 Jahre oder mehr vor unserer Geburt passierte?
Tragen wir die Verantwortung für die Taten eines Irren,
der ganze Völker vernichten wollte, nur weil sie seinem perfiden Menschenbild nicht
entsprachen?

Kann man unsere Generation dafür verurteilen,
dass wir die Enkel oder Urenkel einer Generation sind,
die, getrieben durch Arbeitslosigkeit, Krieg und Hungersnot,
sich diesem Hoffnung vorgaukelnden Tyrannen unterwarf
ohne nachzudenken, blind an sein verheißungsvolles Versprechen glaubte und seine
irren Ziele umsetzte?

Nein.
Aber das, was passierte, muss als abschreckendes Beispiel auch uns in unseren
Köpfen präsent sein,
auf dass wir aus den Fehlern unserer Vorfahren lernen und so etwas Schreckliches
nie wieder passieren kann.

Adam Arndt

Sieh hin

Was du siehst, willst du nicht sehen, und
was du hörst, willst du dir nicht vorstellen.

Wie du lebst, so ist es schön, aber
wie andere leben, ist dir egal.

Wer du sein könntest, möchtest du dir nicht vorstellen, und
was du dann fühlen würdest, wäre elend, aber
wer dir helfen würde, weißt du nicht.

Was du jetzt tun kannst, ist
Hinsehen!

(Nach einem Gedicht von Thomas Brasch)

Sarina Jobanian (11.1)

Kampf gegen das KZ

Wir lesen KZ und stellen uns KZs vor.
Da wir uns nichts Genaues unter KZs vorstellen können, lesen wir mehr über KZs.
Nun sehen wir die Grausamkeit der KZs und sind entsetzt.
Wir werden stumm, wenn wir sehen, was KZs alles angerichtet haben.
Unser Gewissen sagt uns, siehst du das, das können KZs alles anrichten.
Dann stellen wir uns auch noch vor, wie groß der Wahnsinn der Nationalsozialisten
Gewesen sein muss.
Nun versuchen wir auch andere darauf aufmerksam zu machen, wie scheußlich KZs
sind. Dadurch besteht die Hoffnung, dass die KZs nie wieder existieren.

Nach dem Gedicht „In Ohnmacht gefallen“ von Günter Grass

Arne Rudolph

Ehemaliger KZ-Häftling zum Nazioffizier

Ihr schlagt und misshandelt uns,
meint, ihr tut das Richtige.
Aber es ist nicht richtig!

Ist es richtig, Kinder, Frauen, Unschuldige zu schlagen?
Menschen, Lebewesen, die denselben wert haben wie ihr?

Menschen, die sich nicht wehren können, weil sie zu schwach sind, wegen euch!

Ihr bezeichnet uns als Dreck und Abschaum,
doch ihr seid nichts Besseres.
Ihr seid feige und vergreift euch an Wehrlosen
findet Gefallen daran.
Warum?

Ihr meint, es sei eure Anweisung,
ihr tötet nur, weil es eure Pflicht sei.

Meint, ihr hättet keine Wahl.
Doch müsst ihr wirklich?

Meint: Alle müssen es tun,
alle müssen mal zum Rampendienst.

Doch ist es nicht freiwillig?
Wurde dafür nicht Sonderverpflegung ausgegeben?

Meint, ihr wisst von nichts.
Wie sehr muss man sich abschotten,
um seine Umwelt nicht wahrzunehmen?

Meint, euch wurde das Denken abgenommen,
versteckt euch hinter eurer Dummheit.

Könnt ihr nicht Moral von Mord unterscheiden?
Womit haben wir das verdient?

Sarina Jobanian

Zum Glück war das vor langer Zeit
Es hingen Fahnen weit und breit.
Ein schreckliches Zeichen darauf stand,
in der Novembernacht Mord und Brand.

Und Menschen fliehen durch Nacht geschwind,
verzweifelt die Mutter, der Vater, das Kind…
Das Glas zerbricht und Schrei und Qual,
als wär’s tief in der Höll’ ein Saal.

Die Menge im Wahnsinn und aufgebracht
Treibt die Juden wie Vieh durch die Nacht.

In ganz Europa der Schrecken zu Haus,
Soldaten, Granaten, Hunger und Graus.
Allein bleiben Mütter, Töchter und Frauen,
selbst Unerschrockene fängt’s an zu schauern.

Durchtränkt von Blut das Hemd und Verband,
dies will der Führer und nicht Volk und Land!

Es hingen Fahnen weit und breit,
zum Glück war das vor langer Zeit!

Tatjana Bigun (10.22)