denk!mal 2005

Erinnerung wird lebendig

Wettbewerb zum Gedenktag für die Opferdes Nationalsozialismus am 27. Januar. Berliner Jugendinitativen stellen sich vor.


Die Dokumentation

Die Dokumentation kann als PDF-Datei hier heruntergeladen werden.


Die Projekte

Alle eingereichten Projekte aus dem Jahrgang 2005 findet ihr hier:


Zeitzeugen

Am 8. Dezember 2004 fand im Rahmen des Jugendwettbewerbes denk!mal ein Zeitzeugengespräch im Abgeordnetenhaus von Berlin statt. Über 30 Jugendliche hörten interessiert Adam König zu, der als Jude Opfer des nationalsozialistischen Rassenwahns wurde. Nach einführenden Sätzen von Herrn König kam man miteinander ins Gespräch. Dabei wurde für die 13- bis 18-Jährigen Geschichte lebendig und verständlich.

Als vor fast 60 Jahren das Konzentrationslager Auschwitz von Truppen der Roten Armee befreit wurde, war Adam König gerade 22 Jahre alt. Er hatte zu diesem Zeitpunkt bereits die „Hölle“ durchlebt. Im November 1939 war er in das KZ Sachsenhausen gebracht worden. Hier war es für die Aufseher geradezu ein „Sport“ die Häftlinge zu schikanieren. Er musste Misshandlungen und Psychoterror über sich ergehen lassen. In den folgenden Jahren litt er im Klinkerwerk unter dem nationalsozialistischen Programm „Vernichtung durch Arbeit“. Nach einer Widerstandsaktion im KZ wurde Adam König mit anderen Juden im Oktober 1942 nach Auschwitz deportiert. Über zwei Jahre wurde er unter mörderischen Bedingungen in einem IG-Farben-Werk ausgebeutet. Im Januar 1945, kurz vor der Befreiung von Auschwitz, trieben die Nazis knapp 60.000 Häftlinge einen Tag und eine Nacht auf einen rund 60 Kilometer langen Fußmarsch nach Westen. Tausende Menschen starben. Für König folgten Deportationen nach Mittelbau-Dora und Bergen-Belsen. Erst am 15. April 1945 wurde er von englischen Soldaten befreit.

Dass trotz der mörderischen Bedingungen Mitmenschlichkeit im KZ erfahrbar war, zeigte eine Episode, die Adam König den Jugendlichen erzählte: Als er am ersten Abend im KZ Sachsenhausen in Block 39 eintraf, überreichten seine Mithäftlinge ihm eine Tasse Suppe, die sie vom kargen Mittagessen abgezweigt hatten. Sie war kalt, doch wärmte auf eine andere Weise.

An dieser Stelle stellen wir Euch zwei Zeitzeugen vor:



Franz Wolff – ein Versteck aus Pappe

Franz Wolff war einer von 1400 Juden, die die Zeit des Nationalismus durch Untertauchen überlebten.

Anfang 1943 als die letzten Juden verhaftet und in die Konzentrationslager gebracht wurden, entschied sich Franz Wolff unterzutauchen und fand Unterschlupf in einer kleinen Kartonagenfabrik in der Schönhauser Allee in Berlin.

Mit 16 erfuhr er bereits, dass ein normales Leben für ihn nicht möglich war: seinen Traumberuf, Autoschlosser durfte er als Jude nicht mehr ausüben. Franz Wolff blieb nichts anderes übrig, als eine Lehre in einem Konfektionshaus zu beginnen. Danach begann für ihn die Zwangsarbeit: Er wurde zu schwerster Arbeit als Bauhelfer, Straßenfeger und Kohlenträger gezwungen.

Am 23. Februar 1943 verhaftete die Gestapo alle noch in Berlin beschäftigten jüdischen ZwangsarbeiterInnen. An diesem Tag, der sog. „Fabrikaktion“ war Franz Wolff der Arbeit fern geblieben.“Ich hatte mich über die klägliche Bezahlung geärgert.“ Er erfuhr noch am selben Tag von der Verhaftungsaktion. Für seine Mutter und seine Geschwister konnte er nichts mehr tun. Sie waren schon zum Sammellager gebracht worden.

Nun begann für ihn ein gefährliches und mühseliges Leben im Untergrund. Durch die Hilfe von Freunden und durch seine Frau, die er damals im Untergrund kennen lernte und nicht zuletzt wegen seines Mutes und seiner tollkühnen „Frechheit“, seinen Verfolgern wahnwitzige Lügen zu erzählen, konnte Franz Wolff überleben. Er ist der einzige Überlebende aus seiner Familie.

Seit vielen Jahrzehnten lebt er heute mit seiner Frau in Pankow.

Die Fotos oben zeigen Franz Wolff (Name wurde geändert) im Gespräch mit jungen Geschichtsforschern.

Ausschnitte aus dem originalen Zeitzeugeninterview könnt ihr hier als mp3-Dateien herunterladen:

Bericht von der „Fabrikaktion“ (2,2mb)
Bericht über sein Arbeitsleben (4,6mb)



Waltraud Mehling – Juden im Keller
(heute 75 Jahre)

Frau Mehling und ihre Eltern versteckten im Nationalismus Juden im Keller des Alten Stadthauses. Sie waren Mitglieder der Bekennenden Kirche und leisteten Widerstand gegen den Nationalsozialismus, indem sie mehreren Menschen halfen, zu überleben. Die Familie Mehling hatte eine Dienstwohnung im Alten Stadthaus. Der Vater arbeitete dort als Schlosser- und Elektromeister.

Die Mehlings, gläubige Christen, waren eng befreundet mit einer jüdischen Familie, die sie 1931 auf einem Spielplatz kennen lernten.

Sechs Gemeindemitglieder in zweiter und dritter Generation getaufte Juden, wurden im Privatkeller immer wieder sechs Personen versteckt. Nach einigen Wochen konnten Papiere beschafft werden. Alle flüchteten aus Deutschland. Waltraud Mehling war damals sechs Jahre und trotz ihres Alters in die Rettungsaktionen der Eltern eingeweiht. In ihrem Puppenkörbchen lagen unter der Puppe Stullen für die Versteckten. Das fiel niemanden auf. Das Kind war bekannt im Stadthaus. Die Lebensmittelbeschaffung für so viele Personen wurde organisiert durch den Pfarrer Kurt Scharf im Dorf Sachsenhausen bei Oranienburg. Er hatte Kontakte zu Bauern, die der oppositionellen Bekennenden Kirche angehörten.



Ende 1942 wäre das Versteck beinah aufgeflogen: ein Hausmeister hatte Verdacht geschöpft. Die Gestapo, die Waltraud Mehling schon auf dem Schulhof beschattete, durchsuchte das Stadthaus. Der Vater hatte die sechs Untergetauchtren jedoch frühzeitig in einem Tiefkeller unter dem Turm des Stadthauses untergebracht. Er alleine kannte diesen Keller, weil der dort manchmal die Eichenstämme kontrollieren musste, auf denen der Bau im Grundwasser ruht. Über den Einstieg hatte er einen Schrank geschoben.
Zu manchen Juden hatte Waltraud Mehling später Kontakt.
Als Gemeindehelferin in der Funktion einer Pfarrerin predigte sie nach 1945 in Friedrichsfelde, Marzahn und in Biesdorf.

Die Fotos zeigen Waltraud Mehling als junges Mädchen und ein Portrait ihrer Eltern. Unten zeigt sie die Stelle an der sich das Versteck befand.

Das Interview mit Waltraud Mehling könnt ihr hier als mp3-Datei herunterladen:

Waltraud Mehlings Bericht (7,2mb)

Das Zeitzeugenmaterial wurde uns freundlicherweise vom Verein „Blindes Vertrauen e.V.“ zur Verfügung gestellt.